Mittwoch, 31. Oktober 2012

Biotope, Folge 10: Der Spreewald bei Lübbenau

Gurke auf Fahrrad (Foto: Lienhard Schulz aus der
deutschsprachigen Wikipedia).
Die Gurke begegnet dem Reisenden an jeder Ecke. An Häuserwänden prangt sie großformatig und grinsend,  in Gaststätten künden Info-Prospekte von ihrer Qualität, und natürlich gibt es auch Läden und Verkaufsstände mit den echten essbaren Spreewaldgurken. Die Tourismus-Industrie rund um Lübben und Lübbenau schlachtet den Verkaufsschlager Gurke bis zum oft zitierten Geht-Nicht-Mehr aus.

Das sollte indes nicht dazu führen, dass der Blick abgelenkt wird von der tatsächlichen Schönheit des Spreewaldes. Für diese Folge der Reihe "Biotope" werfen wir einen Blick auf die Gegend nahe Lübbenau. Von Berlin Alexanderplatz fährt die Regionalbahn eine Stunde bis dorthin. Zu Fuß läuft der Reisende dann nochmal eine Viertelstunde, bis er im grünsten Wald steht.

Landschaft
Jungpflanze zieht Kraft aus verrottendem Holz (Foto: CS).
Der Spreewald ist geprägt von einer beeindruckenden Menge kleiner und mittelgroßer Wasserläufe, die allesamt mit der Spree verbunden sind. In einigen Bereichen spaltet der Fluss sich in mehrere Läufe auf, in anderen Teilen des Waldes wurden künstliche Nebenläufe oder auch Verbindungen eingerichtet. Wer bei Lübbenau durch den Spreewald wandert, läuft alle paar Meter über Brücken. Der Kanut fährt unter ihnen hindurch.

Tiere
Allem Anschein nach eine sehr junge Erdkröte
im Herbstlaub (Foto: CS).
Angesichts der Vielzahl an Wasserläufen und auch kleinen Stehgewässern ist es wenig erstaunlich, dass der Spreewald ein Paradies für Amphibien ist. Wanderer, pass auf! Vor Deinen Füßen könnte eine Kröte durchs Laub hüpfen. Im Spreewald soll es 150 Tier- und Pflanzenarten geben, die auf der roten Liste für gefährdete Arten stehen. Auch Biber wohnen hier. Besondere Eindrücke sind auch im Sommer zu erwarten, bei 830 Schmetterlingsarten.

Pflanzen und Pilze
Pilze (Foto: Anne).
Auch sie gibt es en masse. Besonders im Herbst sind diverse Pilzarten zu sehen - sie wachsen auf lebenden und toten Bäumen, oder gern auch auf dem Waldboden. Der Kenner mag schon während einer Wanderung durch den Wald an eine schmackhafte Pilzpfanne denken. Auch Pflanzen gibt es an jeder Ecke, vor allem Laubbäume wie Erlen. Nadelbäume werden selten gesichtet. Die Vegetation hat mehrere Effekte: Sie schränkt den Blick ein, sodass der Reisende nur bis zur nächsten Wegbiegung schauen kann. Sie dämpft aber auch jeden Schall, sodass eine Wanderung durch den Spreewald immer auch dies ist: leise.

Infrastruktur
Es ist auch möglich, auf Booten zu essen,
z.B. Gurken (Foto: CS).
Im April 1991 hat die UNESCO das Biosphärenreservat Spreewald anerkannt. Lübbenau liegt mittendrin. Südwestlich von Lübbenau verlaufen die Autobahnen 13 und 15. Nordöstlich liegt der Spreewald zum Glück in ziemlicher Ruhe. Wanderwege, Fahrradverleihstationen und Kanuvermieter erschließen das Gebiet allerdings wunderbar für Menschen, die kurzzeitig auf einen Motor verzichten können.

Christian Schepsmeier


Siehe auch:



Sonntag, 28. Oktober 2012

Das Sonntagsfoto, Folge 12: Wird er seine Drohung wahrmachen?

Foto: NS

 
 
So neulich an einem teuren, konservativen Kombi (!) am Bielefelder Hauptbahnhof entdeckt. Wird der Besitzer aus dieser Ankündigung Taten folgen lassen?

Freitag, 26. Oktober 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 7: Alfa Romeo Montreal

Wenn Autobewunderer die Namen Maserati, Iso Rivolta oder De Tomaso hören, denken sie sofort an rassige Sportwagen - zum Beispiel aus den 1960er Jahren, als Ferrari und Lamborghini noch echte Rivalen waren. Noch heute stehen die meisten dieser Hersteller für exclusive Technik, hohe Preise und niedrige Stückzahlen. Bei Alfa Romeo sieht das schon anders aus. Die Alfa-Modelle haben sich unter der Herrschaft der Konzernmutter Fiat - übrigens leider genauso wie Lancia - immer mehr zu Brot-und-Butter-Produkten entwickelt. Doch zurück in eine Zeit, in der alles besser war. In der Sportwagen noch unvernünftig, laut, aggressiv und exzentrisch sein durften. Eine Zeit, in der Benzin noch richtig billig war, weil noch niemand etwas von der ersten Ölkrise ahnen konnte. Und eine Zeit, in der Alfa Romeo noch für das beste Design und die besten Motoren der Automobilwelt stand.

Filigrane Diva (Foto: NS)

1970 erblickte der Alfa Montreal das Licht der Welt, ein Jahr später ging er in den Verkauf. In einer Ära, in der das Automobildesign eh schon auf dem Höhepunkt war, setzte er noch einen drauf. Spektakulär, atemberaubend, allein die Frontpartie mit den lasziven Augen - halb geschlossen zwar, aber doch hellwach. Oder die Form der Türen. Oder die seitlichen Kiemen. Egal, aus welchem Winkel ich dieses breite, flache Auto betrachte, egal welcher Linie ich gerade folge, egal welche Kurve ich verinnerliche, ich habe bislang keine Perspektive gefunden, aus der der Montreal nicht traumhaft schön ist. Diese Mischung aus einerseits Stil und Eleganz, andererseits Aggressivität, Autorität und Potenz kann sich so nie mehr wiederholen. Denn heute müssen sich Autodesigner vor allem Sicherheitsbestimmungen, ja sogar dem Fußgängerschutz unterordnen. Ich werde hier nicht propagieren, dass die passive Sicherheit bei der Entwicklung zukünftiger Autos eine geringere Rolle spielen soll. Aber: Ich würde für den Spaß, den Thrill, die Lust, die mir eine Fahrt in einem Alfa Montreal bereiten würde, immer gern ein klein wenig mehr Risiko gehen. Vielleicht leben schöne Sportwagenklassiker auch ein wenig davon. Von der Gefahr. Aber eben auch von der Gefahr, nach ihnen süchtig zu werden.


Alfa Romeo Montreal in "verde" (Foto: NS)
Der Montreal ist begehrenswert, besonders in dem Farbton auf den Bildern. Er ist einer der rarsten Alfa Romeo (von 1971 bis 1977 wurden 3.925 Stück verkauft), vor allem sieht man selten einen, der nicht rot ist. Man kann heute ein gutes Exemplar für rund 30.000 Euro bekommen. Aber man sollte beachten, dass es dabei nicht bleiben wird. Die Folgekosten sind bei diesem Modell horrend, jede Reparatur, jedes Teil ist viel teurer als bei Modellen von der Stange. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit, ein Fahrzeug im ehrlichen Spitzenzustand zu erwischen, sehr hoch. Der Montreal hat auch als Oldtimer nie das Preisniveau vergleichbarer Lamborghini, Ferrari oder Maserati erreicht und war dadurch lange Zeit auch für Fans mit geringen finanziellen Mitteln leistbar. Diese kümmerten sich nicht genug um den Erhalt des Zustandes ihrer liebsten Stücke, sodass diese Fahrzeuge langsam wegrosteten. Auf dem heutigen Markt sind so fast nur noch komplett restaurierte Montreal zu finden. Ein gewisses Restrisiko bleibt aber immer. Ob ich das jemals eingehen würde, weiß ich nicht. Aber ich zolle jedem meinen größten Respekt, der die Kühnheit besitzt!


Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent


Siehe auch:

Das Auto zum Wochenende, Folge 6: VW Phaeton
Das Auto zum Wochenende, Folge 5: Citroen DS
Das Auto zum Wochenende, Folge 4: Mazda MX-5
Das Auto zum Wochenende, Folge 3: BMW X6
Das Auto zum Wochenende, Folge 2: Fiat 500
Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron  EB 16.4

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Ungewöhnliche Straßenschilder, Folge 2: Etwas wird von einer Welle überfallen

Das Männchen schreit im Angesicht der Gefahr (Foto: CS).
Das zweite Schild in der Reihe "Ungewöhnliche Straßenschilder" ist offensichtlich ein enger Verwandter des Schildes aus der ersten Folge. Hier wie dort spielt Wasser eine große Rolle, und in beiden Fällen bedeutet es: Gefahr. Doch während die Gefahr im Falle des ersten Schildes passiven Charakter hat (man muss aufpassen, dass man nicht ins Wasser fällt), geht vom Wasser im hier beschriebenen Fall eine aktive Gefahr aus. Es kommt über einen.

Hier sollte man als Schwimmer aufpassen.
Der Standort ist hier entscheidend: Das Schild ist nur vom Wasser aus zu sehen. Es hängt über einem Wehr in Schwerte, durch das ein kleiner Zufluss plätschert. Das Szenario ist klar: Wenn der kleine Zufluss - zum Beispiel nach heftigen Regenfällen - anschwillt, dann sollte man sich nicht direkt davor aufhalten. Sonst wird man vom Wasser überfallen.

Christian Schepsmeier

Siehe auch:
Ungewöhnliche Straßenschilder, Folge 1: Etwas stürzt in einen Graben

Dienstag, 23. Oktober 2012

Hier wurde erfolgreich polarisiert

Das kleinste Detail ist der Haufen unter dem Bären.
In einem kleinen Café am Körnerpark in Berlin-Neukölln haben sie wieder zugeschlagen: Die Gegner der sogenannten Gentrifizierung. Mit ihrem kleinen Aufkleber auf der Toilette wollen sie sagen: "Bleibt uns weg mit euren stylishen Läden! Ihr lockt uns nur die reichen Leute an, die uns dann unsere Wohnungen wegnehmen - weil sie mehr Miete zu zahlen im Stande sind."

Etwas subtiler als Sprayer-Slogans (Fotos: CS).
Bis zu einem gewissen Maß haben sie recht. Teile von Neukölln machen zur Zeit eine Entwicklung durch, wie sie Kreuzberg schon lange hinter sich hat: Cafés und Galerien eröffnen, die Mieten steigen, und neulich wurden auch schon die ersten Bioläden gesehen. Für manchen alteingesessenen Mieter ist das ein Graus. Und das tun die Alt-Neuköllner auch gern kund, von ihrem Fenster aus, auf ein Kissen gelehnt. Das sind einzelne Stimmen, die zusammen laut sind.

Der wirklich organisierte Protest aber, der zum Beispiel Sticker druckt und Häuserwände besprüht, kommt fast immer aus einem akademischen, studentischen, alternativen Milieu - von Leuten also, mit denen die Alteingesessenen kaum je zu tun haben (wollen). Das ist der vorherrschende Eindruck, und das ist seltsam. Woher kommt die Neigung, sich vor eine Gruppe zu stellen, zu der man selbst nicht gehört? Vom Styling her würde man die vermeintlichen Gentrifizierer häufig mit den Gegnern der Gentrifizierung verwechseln.

Christian Schepsmeier

Freitag, 19. Oktober 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 6: VW Phaeton

Polo, Scirocco, Bulli, Golf, Lupo, Jetta, Touran, Käfer, Passat - das ist eine kleine Auswahl der beliebtesten VW der Geschichte. Jeder kennt sie und fast jeder respektiert sie als zuverlässige, praktische Begleiter im Alltag. Volkswagen also im Wortsinne.

Eines der meistunterschätzen Autos überhaupt: VW Phaeton (Foto: NS)
 
Im VW-Konzern war seit der Wiederbelebung von Audi in den 1970er Jahren klar, dass die Kernmarke für das breite Volk und Audi für die gehobeneren Ansprüche wohlhabender Kunden da sein sollte. 2002 startete dann der VW Phaeton. Genauso groß wie ein Audi A8. Auch fast so teuer. Und alle Welt fragte sich, was das wohl solle. Konkurrenz im eigenen Hause sagten die einen. Ein Volks-Wagen für die Megareichen, unkten andere. Und tatsächlich war das Projekt von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Kaum jemand, der viel Geld für eine Luxuslimousine ausgeben wollte, würde sich mit dem schnöden VW-Emblem im Kühlergrill zufrieden geben. Und diejenigen, denen das Image egal war, waren konservative Stammkunden bei den etablierten Marken: BMW, Mercedes, Audi, Jaguar, Lexus. Dafür, dass der Phaeton einen komplett neuen Kundenkreis erschließen musste, war er nicht eigenständig, nicht markant genug. Sein einziges Argument war: Qualität.

Das beste Auto der Welt wollte der damalige VW-Chef Ferdinand Piech auf die Beine stellen. Wenn man davon ausgeht, dass dieser Titel nicht aufgrund von Beliebtheitswerten oder Verkaufszahlen vergeben wird, könnte er das geschafft haben. Das ließ er sich bzw seinen Konzern einiges kosten: In der eigens dafür entwickelten Gläsernen Manufaktur in Dresden wird der Oberklassewagen in Handarbeit (!) gefertigt. Die Kritiker waren verblüfft von der technischen Perfektion des Wagens, von dem uneingeschränkten Komfort, der Liebe zum Detail, insbesondere was die Verarbeitung im Innenraum anbetrifft. Auch Gerhard Schröder war überzeugt und bestellte einige Exemplare als "Kanzlerwagen". Der Phaeton war besser als die Konkurrenz und trotzdem stets etwas günstiger. Auch wenn über 100.000 Euro für das Spitzenmodell 6,0 W12 mit 420 PS happig klingen: Wenn man Emotionen und Geschmacksfragen beiseite ließ, so war der Phaeton die vernünftigste Wahl. Allradantrieb war bei allen Motorisierungen Standard und kaum ein Konkurrent bot so viel Luxus in einem so unauffälligen Auto. Wer Understatement mochte, wählte den "großen Passat".


Beeindruckende Maße bei zeitlosem Design (Foto: NS)
Wer sich vor 10 Jahren noch vom hohen Kaufpreis abschrecken ließ, kann sich heute den Traum vom Phaeton erfüllen. Als Gebrauchtwagen gilt er als äußerst zuverlässig und sein Wertverlust war auch noch höher als bei seinen Konkurrenten. Im Vergleich zur S-Klasse oder zum BMW 7er ist er einfach so viel zeitloser und klassischer in Design und Auftritt. Besonders günstig zu haben ist der leider etwas durstige Basis-Benziner 3,2 V6, den es selbst mit unter 100.000 Kilometern auf dem Tacho schon ab etwa 12.000 Euro auf dem Gebrauchtwagenmarkt gibt. Unwesentlich teurer sind die exotischeren Motorisierungen wie der 4,2 mit V8 oder der faszinierende 5,0 V10 TDi mit 313 Diesel-PS. Am wertstabilsten ist die beste Phaeton-Variante: der 3,0 TDi.
Für mich steht schon seit einigen Jahren fest: Ich will einen haben. Gepflegt, am besten aus erster Hand, in schwarz und mit dicken Felgen. Ein cooles, fettes, geniales Auto, das keiner wollte: Begehrenswerter geht es in meinen Augen nicht.

Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent

Siehe auch:

Das Auto zum Wochenende, Folge 5: Citroen DS
Das Auto zum Wochenende, Folge 4: Mazda MX-5
Das Auto zum Wochenende, Folge 3: BMW X6
Das Auto zum Wochenende, Folge 2: Fiat 500
Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron EB 16.4

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Der kleine Kneipentest, Folge 2: Das "Eisen"

Die zweite Folge in dieser noch recht jungfräulichen Reihe sei dieses Mal mehr Hommage denn Test, da es mittlerweile schon viele Jahre her ist, dass ich mit meinem ersten Besuch des "Eisen" kneipentechnisches Neuland betreten habe. Allerdings könnte an dieser Stelle darüber nachgedacht werden, eine neue (Unter-)Kategorie ins digitale Leben dieses Blogs zu rufen:  "Bretter die die Welt bedeuten".

"Eisen" Bremen - Cafe geht  anders
(Foto: Eisen Bremen)
Denn in diese Schublade muss das "Eisen" definitiv gesteckt werden. Im Herzen von Bremens Szeneviertel "Viertel" (klingt komisch, heißt aber wirklich so), am Sielwall, liegt dieser Laden, der so rustikal ist wie sein Name. Eine Eckkneipe die sich, allein schon aus Platzgründen, auf das Wesentliche konzentriert. Großzügige Theke, Barhocker, eine Handvoll Tische und Stühle? Ja. Kicker, Flipper, Großbildleinwand und co.? Nein. Saufen oben, sanitäre Anlagen unten im Keller.

Wofür ich diese Kaschemme jedoch so liebe, ist, dass sie einfach nicht everybody´s darling ist. Und auch gar nicht erst versucht es zu sein. Das wird schon beim Betreten des "Eisen" deutlich. An den Wänden sind klare Statements zu lesen - die meisten mit Bezug auf die beiden anderen thematischen Säulen, auf denen diese Pinte (neben der ersten Säule Alkohol) ideologisch fußt: Musik und Fussball (Was will Mann mehr?!). So fallen einem direkt ein geniales - und das kann man wirklich dazu sagen - 'Artwork' der ebenso genialen Band "Hüsker Dü" und unzählige Bilder von/mit/über den glorreichen SV Werder Bremen auf. Womit im Umkehrschluss klar wird, wer hier nichts verloren hat: Leute mit "Böhse Onkelz"- beziehungsweise HSV Pullovern und/oder entsprechender Gesinnung. Erstere würden vermutlich sogar riskieren, geteert und gefedert das Lokal zu verlassen. Zweitere sollten zumindest ein dickes Fell besitzen was Anmerkungen über ihren Verein betrifft.

Fuchsig: Hüsker Dü Artwork (Foto: Eisen Bremen)
Doch die Liebe zu prächtiger Musik und zu mittelprächtigem Achterbahnfussball werden hier nicht nur passiv, sondern zum Glück auch aktiv gelebt. Was die Musik betrifft, wird man aus der Anlage primär mit Alternative-Rock-Punk-Perlen der 70er, 80er und 90er beschallt und auch die Plattenteller drehen sich zu meiner Freude noch hin und wieder. Zum (Werder-)Fussballgucken eignet sich das "Eisen" hervorragend, weil hier eben nicht die Schönwetterfans vor drölf XXL-Leinwänden mit Beamern sitzen. Hier wird noch ganz klassisch auf einem (!) Fernseher an der Decke das Spielgeschehen verfolgt. Einer für Alle, Alle für Einen.

Natürlich darf hier, liebe Bayern, auch noch geraucht werden. Das ist in Bremer Kneipen nicht unbedingt eine Seltenheit, dennoch wäre das Eisen ohne den blauen Dunst definitiv nicht dasselbe. Eine Zigarette lässt sich prima mit einem der vielen Drinks kombinieren und macht außerdem zusammen mit Flasche oder Glas in der Hand einen schlanken Fuß.

Die Preise sind human und schlagen weder nach oben noch nach unten aus. Flaschenbier gibt es ab 2,50 Euro. Zum Beispiel schlechtes norddeutsches Bier (Becks) oder gutes norddeutsches Bier (Jever). Auch vom Fass gibt es die in hiesigen Gefilden üblichen Sorten, und für die Exoten unter uns kommt mit Staropramen auch ein edler tschechischer Tropfen aus dem Hahn. Besonders erwähnenswert auf der Karte ist die Sparte "Sauereien": Die Schnäpse die hier gelistet werden sind Programm: "Betonmischer", "Offenes Bein", "Russenkoks" oder "Krabbeldiewandruff". Der erste Genuss des letztgenannten ist auch gleichzeitig die "Eisen"-Taufe. Ein Schnaps den man beim ersten Besuch des "Eisen" einfach trinken muss, vor allem, wenn man mit eisenkundigen Menschen dort ist.

Uncle Schaaf wants you for Eisen

(Foto: Eisen Bremen)
Eisenkundige Menschen wissen außerdem, dass es manchmal etwas dauern kann, bis man mit dem Thekenpersonal warm wird. Ein gewisses Maß an Offenheit und ein lockerer Spruch auf den Lippen sind nicht von Nachteil. Wer unsympathisch oder unfreundlich ist, der wird auch bei der Bestellung keine freundlichen Blicke oder Worte bekommen. Das kapitalistische und affektierte "Der-Kunde-Ist-König-Prinzip" gilt hier nicht. Stichwort Authentizität. Authentizität, die diese Kneipe für mich so sympathisch macht, aber leider von manchen als Arroganz fehlinterpretiert wird.

Das "Eisen" hat in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. An dieser Stelle noch mal alles Gute nachträglich und auf die nächsten 20 Jahre am besten Brett Bremens!


Henrik Claus, Bremen-Korrespondent

Siehe auch:
Der kleine Kneipentest, Folge 1: Das "Neue Wege"

Montag, 15. Oktober 2012

Heißer Abend im Willy-Brandt-Haus

Links Willy Brandt, rechts Heinz Buschkowsky (Foto: CS).
Es gibt Podiums-Diskussionen in der SPD-Zentrale Willy-Brandt-Haus (WBH), die verdienen den Namen "Diskussion" nicht - so behutsam und risikolos sprechen die Akteure ihre Aussagen in die Mikrofone. Heute Abend war das anders: Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) las aus seinem Buch "Neukölln ist überall", und anschließend wurde heftig und lautstark diskutiert. Die Stimmung war heiß, auch weil so viele Leute zu Gast waren wie selten.

Viel los (Foto: CS).
Dass das WBH an die Grenze seiner maximalen Besucherauslastung stieß (viele mussten stehen), zeigt: Interesse an Buschkowskys Thesen ist da. Es soll hier nicht um den Inhalt des Buches gehen, sondern um die Art wie darüber diskutiert wird. Nur als kurze Zusammenfassung: Buschkowsky beklagt in seinem Buch die Entstehung von Parallelwelten in bestimmten Gegenden von Neukölln, und in ähnlichen Vierteln in vielen deutschen Städten. In diesen Stadtteilen leben Buschkowsky fast ausschließlich ausländische Familien, die keinen Kontakt zur "normalen" deutschen Gesellschaft haben. Der Autor fordert, deren Teilhabe notfalls zu erzwingen - zum Beispiel mit einer Kita-Pflicht ab dem 13. Lebensmonat -, um ihre Kinder zu integrieren.

In den vergangenen Monaten wurde Buschkowskys Buch in den Feuilletons heftig diskutiert. Die FAZ etwa begrüßte die Herangehensweise und explizit den "erfrischenden" Stil - Buschkowsky nenne Integrationsprobleme beim Namen. In der taz wiederum hieß es, der Bezirksbürgermeister wisse gar nicht, was Intergration ist. Im Willy-Brandt-Haus war heute zu spüren, dass beide Ansichten auch von Gästen vertreten wurden. Das war deutlich hörbar an Raunereien, und deutlich sichtbar - mal schüttelten die eine traurig den Kopf, mal die anderen.

Buschkowsky, Moderatorin, Özoğuz, Hendricks.
Die SPD hat heute viel dafür getan, bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an die halbstündige Lesung auch kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die beiden Mit-Diskutantinnen Aydan Özoğuz (stellvertretende Parteivorsitzende und Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion) und Barbara Hendricks (SPD-Schatzmeisterin) stießen jeweils nicht ins gleiche Horn wie Buschkowsky. Özoğuz gab viel Kontra, Hendricks suchte eher die Mitte, den Kompromiss. Beide waren dabei aber zu politically correct. Viele der Wortbeiträge klangen zu kalkuliert für ein akademisches Publikum, und  im schlechten Sinne zu politikerhaft.

Özoğuz kritisierte unter anderem Buschkowskys These, dass viele Probleme aus der Prägung der Einwanderer erwachsen. Sie wandte dagegen, der Blick des Staates solle besser nicht auf die Herkunft von Menschen, sondern nur auf deren akute Probleme gerichtet sein. Buschkowsky vermochte allerdings meines Erachtens mehr zu überzeugen - mit der Ansicht, dass die Herkunft von Menschen eben doch eine Rolle spielt, weil sie den Umgang mit folgenden, für Integration essentiell wichtigen, Fragen bedingt: "Wie wichtig ist das Erlernen der deutschen Sprache in einer Familie? Wird die Schulpflicht akzeptiert?" Wenn zum Beispiel letztere Frage verneint wird, muss der Staat mehr eingreifen, mehr Druck ausüben.

Gefragter Mann (Foto: CS).
Die Strategie der SPD war möglicherweise: "Weil Buschkowsky innerhalb der SPD als eher konservativ gilt, sollten wir ihm auf der Bühne einiges entgegensetzen". Wenn die heutige Diskussion aber ein Wettkampf war, dann gibt es einen Sieger: Heinz Buschkowsky. Er machte einen engagierten und mutigen Eindruck, und sprach keinesfalls abfällig über Migranten. Der Unterschied zu Thilo Sarrazin ist himmelweit. Buschkowsky verzichtet auf biologistische Verschwörungstheorien. Statt fragwürdiger Zahlenwerke konsultiert er vor allem die amtliche Statistik. 

Freilich lässt sich darüber streiten, ob der starke Staat, den Buschkowsky als Integrationsinstanz fordert, alles lösen kann und darf. Aber um das zu kritisieren, müssten Mitdiskutanten selbst klarere Ansagen machen, als dies heute geschehen ist. Kontra zu geben, nur um gegen den politisch Nicht-Korrekten Buschkowsky zu sein, reicht nicht.

Während Buschkowsky anfangs noch wenig und nur zurückhaltenden Applaus bekam, steigerten sich die Ovationen zum Ende hin immer mehr. Viele fragten anschließend nach Autogrammen. Die SPD hat in jedem Fall bewiesen, dass sie Diskussionen aushalten kann - zumindest für einen Abend.


Christian Schepsmeier

Freitag, 12. Oktober 2012

Das Auto zum Wochenende, Folge 5: Citroen DS

Autos werden Verkaufsschlager, nur wenn sie zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt geworfen werden und mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis aufwarten. Bei den erfolgreichsten modernen Automobilen war es zweifelsohne so:  Beim Käfer, beim ersten Golf und bei der Nr.1 in Europa, dem Toyota Corolla mit mittlerweile über 28 Millionen Auslieferungen. Und dann gibt es die Flops. Die Spritfresser während der Ölkrise, die Cadillacs für Europa, aber auch die Fahrzeuge, die mit visionärer Technik oder Optik ihrer Zeit weit voraus sind (bestes Beispiel: der NSU Ro 80).
Es gibt aber wohl nur ein Auto in der Geschichte, das alles war: Kulturschock, technische Revolution UND Topseller.
Fairerweise muss ergänzt werden, dass der letzte Punkt im Falle der Citroen DS nur auf den Heimatmarkt Frankreich zutrifft: Die allermeisten der etwa 1,5 Millionen produzierten Exemplare blieben daheim. Das ist kein Wunder, schaut man sich dieses außergewöhnliche Automobil genauer an. Es ist wie sein Land, wie seine Leute, wie die Menschen, die es entwickelten und fertigten. Chic, modern, weich und doch arrogant. Vielleicht waren andere Länder noch nicht soweit. In Deutschland jedenfalls war die DS nur etwas für Individualisten oder noch spezieller für Frankophile.

Citroen DSuper (Foto: NS)
 
Es ist übrigens eines der wenigen Autos der Geschichte, das ein eindeutiges Geschlecht hat - die DS muss weiblich sein. Sie sieht fraulich aus, ihr Name leitet sich vom französischen Wort für Göttin (la déesse) ab, sie ist prätenziös und Autos sind in Frankreich eh stets feminin (la voiture).



Als die Göttin 1955 (!) auf dem Pariser Automobilsalon dem breiten Publikum vorgestellt wurde, muss das für die Besucher verblüffend und spektakulär gewesen sein. Etwas Vergleichbares hatte es designtechnisch vorher noch nicht gegeben, jedenfalls nicht zu kaufen. Höchstens in Science-Fiction-Filmen hatte man zuvor solche Formen an Raumschiffen bestaunen können und nun waren sie also für jeden erreich- und bestellbar. Auch wenn die Déesse alles andere als günstig war: Schon am Ende des ersten Messetages konnte Citroen über 12.000 unterschriebene Kaufverträge verzeichnen, nach dem letzten Tag waren es 80.000!
 
Nur damit wir uns richtig verstehen - es war keineswegs nur das äußere Erscheinungsbild, das die DS zu einem Meilenstein machte. Sie vereinte so viele technische Errungenschaften in sich, das Interessenten allein deshalb kaum widerstehen konnten. Citroen setzte bei diesem großen Modell konsequent auf Materialien wie Kunststoff und Aluminium, um Gewicht einzusparen. Die Déesse war zudem das erste Großserienauto mit Scheibenbremsen.
 
In Kurven mitlenkende Scheinwerfer hinter Glas:
die Déesse ab 1967 (Foto: NS)
 
 In der zweiten Generation ab 1967 gab es schwenkbare, mitlenkende Scheinwerfer. Dazu Halbautomatik, eine Hupe in 2 Stärken (sanft für die City mit Fußgängern und Radfahrern und lauter für die Autobahn!) und nicht zuletzt die berühmte Hydropneumatik. Durch diese fuhr man nicht nur wie auf Wolken, weil sie unter jeder Last eine gleichbleibende Bodenfreiheit garantierte. Man konnte die Höhe sogar manuell vom Innenraum aus verstellen - somit sollte der große Citroen auch für die heutige Lowrider-Szene interessant sein. Auffallen um jeden Preis mal anders - DS-Fahrer können garantiert ein Lied davon singen. Ob sie wollen oder nicht, selbst neben einem Porsche oder einer Corvette sticht die französche Sänfte garantiert noch einmal heraus. Die Hydropneumatik verbessert übrigens nicht nur den Komfort. 1962 hat Charles de Gaulle ein Attentat nur überlebt, weil seine Göttin trotz zweier zerschossener Reifen noch zur Flucht bereit war - kein anderes Auto hätte das zu der Zeit geschafft.

20 Jahre hat sich die Citroen DS gehalten. Es gab sie neben der Limousine auch in diversen Kombivarianten und sogar als Coupé und Cabriolet mit Karosserieaufbauten von Chapron. Letztere sind mittlerweile aufgrund ihrer Seltenheit im sechsstelligen Euro-Bereich angesiedelt. Die Limousinen (zB auch in der einfacheren Variante ID) gibt es im durchnittlichen Zustand für 10.000 Euro, bei 15-20.000 Euro kann man ganz sicher ohne schlechtes Gewissen zuschlagen. Die Teileversorgung ist zwar gut, doch sind Reparaturen aufgrund der komplizierten Technik oftmals kostspielig. Mir fällt aber kaum ein Auto ein, das hohe Kosten so charmant rechtfertigt wie diese französische Göttin.

 Nico Siemering, Bielefeld-Korrespondent


 Siehe auch:
Das Auto zum Wochenende, Folge 4: Mazda MX-5
Das Auto zum Wochenende, Folge 3: BMW X6
Das Auto zum Wochenende, Folge 2: Fiat 500
Das Auto zum Wochenende, Folge 1: Bugatti Veyron EB 16.4


Mittwoch, 10. Oktober 2012

Ein Dublin-Reisender gibt Tipps

The Ferryman
Für Jungs und Mädchen, die schon mit dem Gedanken gespielt haben, eines Tages Dublin zu besuchen, habe ich ein paar Tipps zusammengestellt.

Erstens: Falls ihr vom Flughafen zum Hotel ein Taxi nehmen wollt: Versucht nicht, wie gewohnt vorne rechts einzusteigen! (Außer ihr wollt das Taxi selber fahren. Das wiederum setzt voraus, dass ihr den Linksverkehr meistert.) Mir ist das passiert. Seitdem steige ich immer hinten ein - zur Sicherheit.

Zweitens: Wer in Dublin günstig unterkommen will, sollte ein Bed & Breakfast wählen oder bei Bekannten unterkommen. Das Problem beim Bed & Breakfast: Davon gibt es in der Innenstadt nur wenige - die meisten liegen am Stadtrand. Ich habe also einfach bei einer Bekannten geschlafen.

Drittens: Die Stadt besticht - rein architektonisch - durch ihre Vielfalt. In den letzten Jahren wurde sehr viel in Dublin gebaut. Neben uralten Häusern stehen
die Glaspaläste von Banken und die Europazentralen von Internetfirmen. Und an jeder Ecke gibt es Kaffees, Restaurants und Pubs.

Viertens: Das Essen ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Selbst in den Pubs kann man sehr gut essen. Die Speisekarten sind schlicht: Es gibt Fleisch und Fisch, und meist auch etwas für Vegetarier. Die Preise sind zwar relativ hoch. Aber es ist ja Urlaub.

Temple Bar
Fünftens: Die Pubs. Viele von ihnen befinden sich in der Altstadt - wie etwa der wohl berühmteste Pub in Dublin, The Temple Bar. Es gibt dort fast jeden Abend gute Live Musik, allerdings auch besonders viele Touristen. Wer im Pub nur auf Iren treffen will, der muss ein wenig nach Außerhalb gehen. Gute handgemachte Musik gibts da auch. Um 1 Uhr ist Schluss - dann ist Sperrstunde. Manche Läden haben allerdings eine extra Lizenz, die müssen dann erst um 3 Uhr nachts schließen.

The 51


Sechstens: Wer kein Guinness mag, braucht sich keine Sorgen zu machen. Fast alle Pubs haben auch Becks oder Heineken. Ein Pint (0,568 ml) kostet 5€.

Siebtens: Die Iren, die ich kennenlernte, waren freundlich und neugierig, aber nie aufdringlich. Es ist leicht, Anschluss zu finden. Es gibt aber Themen die man nicht unbedingt ansprechen sollte: vor allem Religion und Politik.

Achtens: Wenn ihr mit einem Iren redet, vermeidet bitte, das irische Volk mit den Engländern zu vergleichen! Sie sind stolz und sehr eigen.


Afro

Dienstag, 9. Oktober 2012

Einfach sportlich!



Dass die Führungsetage in Münster an einem sportlichen Image der Stadt interessiert ist,  muss wirklich niemanden verwundern. Denn schon kleine Details, zum Beispiel die Einrichtung der Hallenbäder,  auch gerne Sportbäder genannt,  betonen diesen sportlichen Charakter unserer Stadt.
Ist Mann oder Frau, Junge oder Mädchen erst einmal ein paar Bahnen in den Bädern der Stadt geschwommen, kann direkt im Anschluss an Essens- oder Getränkeautomaten gesund und kostengünstig zugeschlagen werden. Verschiedene Köstlichkeiten können hier den sportlichen Tag weiter versüßen.
Lecker und gesund! (Foto: PK)





Ein gesundes Snickers oder Mars oder doch vielleicht ein Twix helfen sofort den ersten Hunger zu bekämpfen. Für jeden Geschmack lässt sich im Automaten eine nahrhafte und sättigende Kleinigkeit finden. Selbst wenn nach dem Schwimmen der eine oder andere Sportler noch Durst bekommen sollte (was als wirkliche Seltenheit nach sportlichen Aktivitäten zu sehen ist), kann ohne schlechtes Gewissen eine (beinahe) zuckerfreie Stärkung zu sich genommen werden: Fanta, Cola oder Sprite bieten sich hier doch prima an. Einfaches Wasser gibt es ja schließlich im Becken genug. 


Philipp Kleff,
Sport-Korrespondent Münster

Samstag, 6. Oktober 2012

Kongofieber



Innerhalb weniger Stunden war es soweit. Wir, zwei Studentinnen, tauschten unser alltägliches Unileben in der überschaubaren Kleinstadt Münster gegen das pulsierende Treiben in Lubumbashi. Die zweitgrößte Stadt der demokratischen Republik Kongo liegt am südlichen Zipfel des Landes an der Grenze zu Sambia. Obwohl sich die Großstadt in der gleichen Zeitzone wie Deutschland befindet, hat das Leben hier seinen eigenen Rhythmus. Gelegen am Rande der sich ausbreitenden Metropole, in der an jeder Ecke gebaut wird, befindet sich ruhig und idyllisch gelegen Mutoto Village. Das Zentrum bietet mit seinem Heim ein Zuhause für vernachlässigte Kinder und Jugendliche. Zudem ermöglicht die sich auf dem Gelände befindende Schule einen Treffpunkt für alle Altersklassen aus dem umliegenden Viertel. Kulturelle Erfahrungen zusammen mit den Kindern   begleiten unseren Alltag. Der moderne Ansatz weg von der Entwicklungshilfe hin zu einem Austausch auf Augenhöhe schafft eine angenehme Atmosphäre. Immer wieder entstehen tiefsinnige Gespräche und Freundschaften entwickeln sich. Dies lässt die zurückgelegten Kilometer, die Sprachbarrieren und den kulturellen Hintergrund oftmals vergessen, sodass Witze und Spaß an der Tagesordnung stehen. Verwundert erfahren wir, dass Händchenhalten unter Jungen etwas ganz Normales ist, man manchmal unglaublich lange auf etwas warten muss und das das Tanzen uns beiden nicht unbedingt im Blut zu liegen scheint.


 Da gerade Sommerferien sind, wird vom Zentrum aus ein Ferienprogramm für bis zu siebzig Kinder  aus dem umliegenden Viertel organisiert. Zu unseren festen Aufgaben gehört das spielerische Beibringen von Englisch und auf Wunsch der Älteren im Projekt auch der Deutschunterricht. Unser grüner Daumen wird beim Anlegen und Pflegen von Gemüsebeeten auf die Probe gestellt.

Man könnte meinen, der oftmals nur abends vorhandene Strom, die überfüllten Busse und die einfach ausgestatteten Häuser prägen unsere Wahrnehmung, doch sind es andere Aspekte die uns in Erinnerung bleiben werden. Zielstrebige Jugendliche, die für ihre Zukunft kämpfen und sich von Schicksalsschlägen und leider offensichtlichen Ungerechtigkeiten nicht entmutigen lassen. Der Gemeinschaftsgeist, das herzliche Miteinander, die offene und ehrliche Lebensfreude und die künstlerische Vielfalt überraschen uns immer wieder.
Eine wirklich überwältigende Besonderheit im Mutoto Village ist die Akrobatikgruppe Mutoto Chaud. Sobald die rhythmischen Klänge der Trommeln ertönen, werden zahlreiche Zuschauer aus dem Quartier angezogen. Waghalsige Menschenpyramiden, Flick Flacks und beeindruckende Tanzchoreographien begleitet von mitreißenden Liedern auf Kisuaheli lassen uns täglich die Zeit vergessen. Genau diese Momente sind es, die uns den Abschied noch schwerer machen werden. Zum Glück können wir uns aber auf ein Wiedersehen im Frühjahr 2013 freuen, wenn die Akrobatikgruppe Mutoto Chaud  wieder einmal auf Deutschlandtournee sein wird.
Hannah und Nora beim Ringelpiez mit Anfassen

Hannah Schimpl und Nora Schmitz,
Kongo-Korrespondentinnen