Montag, 15. Oktober 2012

Heißer Abend im Willy-Brandt-Haus

Links Willy Brandt, rechts Heinz Buschkowsky (Foto: CS).
Es gibt Podiums-Diskussionen in der SPD-Zentrale Willy-Brandt-Haus (WBH), die verdienen den Namen "Diskussion" nicht - so behutsam und risikolos sprechen die Akteure ihre Aussagen in die Mikrofone. Heute Abend war das anders: Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) las aus seinem Buch "Neukölln ist überall", und anschließend wurde heftig und lautstark diskutiert. Die Stimmung war heiß, auch weil so viele Leute zu Gast waren wie selten.

Viel los (Foto: CS).
Dass das WBH an die Grenze seiner maximalen Besucherauslastung stieß (viele mussten stehen), zeigt: Interesse an Buschkowskys Thesen ist da. Es soll hier nicht um den Inhalt des Buches gehen, sondern um die Art wie darüber diskutiert wird. Nur als kurze Zusammenfassung: Buschkowsky beklagt in seinem Buch die Entstehung von Parallelwelten in bestimmten Gegenden von Neukölln, und in ähnlichen Vierteln in vielen deutschen Städten. In diesen Stadtteilen leben Buschkowsky fast ausschließlich ausländische Familien, die keinen Kontakt zur "normalen" deutschen Gesellschaft haben. Der Autor fordert, deren Teilhabe notfalls zu erzwingen - zum Beispiel mit einer Kita-Pflicht ab dem 13. Lebensmonat -, um ihre Kinder zu integrieren.

In den vergangenen Monaten wurde Buschkowskys Buch in den Feuilletons heftig diskutiert. Die FAZ etwa begrüßte die Herangehensweise und explizit den "erfrischenden" Stil - Buschkowsky nenne Integrationsprobleme beim Namen. In der taz wiederum hieß es, der Bezirksbürgermeister wisse gar nicht, was Intergration ist. Im Willy-Brandt-Haus war heute zu spüren, dass beide Ansichten auch von Gästen vertreten wurden. Das war deutlich hörbar an Raunereien, und deutlich sichtbar - mal schüttelten die eine traurig den Kopf, mal die anderen.

Buschkowsky, Moderatorin, Özoğuz, Hendricks.
Die SPD hat heute viel dafür getan, bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an die halbstündige Lesung auch kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Die beiden Mit-Diskutantinnen Aydan Özoğuz (stellvertretende Parteivorsitzende und Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion) und Barbara Hendricks (SPD-Schatzmeisterin) stießen jeweils nicht ins gleiche Horn wie Buschkowsky. Özoğuz gab viel Kontra, Hendricks suchte eher die Mitte, den Kompromiss. Beide waren dabei aber zu politically correct. Viele der Wortbeiträge klangen zu kalkuliert für ein akademisches Publikum, und  im schlechten Sinne zu politikerhaft.

Özoğuz kritisierte unter anderem Buschkowskys These, dass viele Probleme aus der Prägung der Einwanderer erwachsen. Sie wandte dagegen, der Blick des Staates solle besser nicht auf die Herkunft von Menschen, sondern nur auf deren akute Probleme gerichtet sein. Buschkowsky vermochte allerdings meines Erachtens mehr zu überzeugen - mit der Ansicht, dass die Herkunft von Menschen eben doch eine Rolle spielt, weil sie den Umgang mit folgenden, für Integration essentiell wichtigen, Fragen bedingt: "Wie wichtig ist das Erlernen der deutschen Sprache in einer Familie? Wird die Schulpflicht akzeptiert?" Wenn zum Beispiel letztere Frage verneint wird, muss der Staat mehr eingreifen, mehr Druck ausüben.

Gefragter Mann (Foto: CS).
Die Strategie der SPD war möglicherweise: "Weil Buschkowsky innerhalb der SPD als eher konservativ gilt, sollten wir ihm auf der Bühne einiges entgegensetzen". Wenn die heutige Diskussion aber ein Wettkampf war, dann gibt es einen Sieger: Heinz Buschkowsky. Er machte einen engagierten und mutigen Eindruck, und sprach keinesfalls abfällig über Migranten. Der Unterschied zu Thilo Sarrazin ist himmelweit. Buschkowsky verzichtet auf biologistische Verschwörungstheorien. Statt fragwürdiger Zahlenwerke konsultiert er vor allem die amtliche Statistik. 

Freilich lässt sich darüber streiten, ob der starke Staat, den Buschkowsky als Integrationsinstanz fordert, alles lösen kann und darf. Aber um das zu kritisieren, müssten Mitdiskutanten selbst klarere Ansagen machen, als dies heute geschehen ist. Kontra zu geben, nur um gegen den politisch Nicht-Korrekten Buschkowsky zu sein, reicht nicht.

Während Buschkowsky anfangs noch wenig und nur zurückhaltenden Applaus bekam, steigerten sich die Ovationen zum Ende hin immer mehr. Viele fragten anschließend nach Autogrammen. Die SPD hat in jedem Fall bewiesen, dass sie Diskussionen aushalten kann - zumindest für einen Abend.


Christian Schepsmeier

1 Kommentar:

  1. Ex-Genosse Headbanger23. Oktober 2012 um 12:11

    Willi Brand-Statue mit allen Ecken und Kanten...

    Niedlich der Ausdruck:
    "mal schüttelten die eine *traurig* den Kopf, mal die anderen."
    Man kann die Kopfschüttler schon "traurig, traurig" sagen hören, aber ob die eine oder andere Träne geflossen ist ;-P oder aber doch einfach nur Vorredner so verständnislos abgekanzelt wurden? O.o

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