Donnerstag, 18. Oktober 2012

Der kleine Kneipentest, Folge 2: Das "Eisen"

Die zweite Folge in dieser noch recht jungfräulichen Reihe sei dieses Mal mehr Hommage denn Test, da es mittlerweile schon viele Jahre her ist, dass ich mit meinem ersten Besuch des "Eisen" kneipentechnisches Neuland betreten habe. Allerdings könnte an dieser Stelle darüber nachgedacht werden, eine neue (Unter-)Kategorie ins digitale Leben dieses Blogs zu rufen:  "Bretter die die Welt bedeuten".

"Eisen" Bremen - Cafe geht  anders
(Foto: Eisen Bremen)
Denn in diese Schublade muss das "Eisen" definitiv gesteckt werden. Im Herzen von Bremens Szeneviertel "Viertel" (klingt komisch, heißt aber wirklich so), am Sielwall, liegt dieser Laden, der so rustikal ist wie sein Name. Eine Eckkneipe die sich, allein schon aus Platzgründen, auf das Wesentliche konzentriert. Großzügige Theke, Barhocker, eine Handvoll Tische und Stühle? Ja. Kicker, Flipper, Großbildleinwand und co.? Nein. Saufen oben, sanitäre Anlagen unten im Keller.

Wofür ich diese Kaschemme jedoch so liebe, ist, dass sie einfach nicht everybody´s darling ist. Und auch gar nicht erst versucht es zu sein. Das wird schon beim Betreten des "Eisen" deutlich. An den Wänden sind klare Statements zu lesen - die meisten mit Bezug auf die beiden anderen thematischen Säulen, auf denen diese Pinte (neben der ersten Säule Alkohol) ideologisch fußt: Musik und Fussball (Was will Mann mehr?!). So fallen einem direkt ein geniales - und das kann man wirklich dazu sagen - 'Artwork' der ebenso genialen Band "Hüsker Dü" und unzählige Bilder von/mit/über den glorreichen SV Werder Bremen auf. Womit im Umkehrschluss klar wird, wer hier nichts verloren hat: Leute mit "Böhse Onkelz"- beziehungsweise HSV Pullovern und/oder entsprechender Gesinnung. Erstere würden vermutlich sogar riskieren, geteert und gefedert das Lokal zu verlassen. Zweitere sollten zumindest ein dickes Fell besitzen was Anmerkungen über ihren Verein betrifft.

Fuchsig: Hüsker Dü Artwork (Foto: Eisen Bremen)
Doch die Liebe zu prächtiger Musik und zu mittelprächtigem Achterbahnfussball werden hier nicht nur passiv, sondern zum Glück auch aktiv gelebt. Was die Musik betrifft, wird man aus der Anlage primär mit Alternative-Rock-Punk-Perlen der 70er, 80er und 90er beschallt und auch die Plattenteller drehen sich zu meiner Freude noch hin und wieder. Zum (Werder-)Fussballgucken eignet sich das "Eisen" hervorragend, weil hier eben nicht die Schönwetterfans vor drölf XXL-Leinwänden mit Beamern sitzen. Hier wird noch ganz klassisch auf einem (!) Fernseher an der Decke das Spielgeschehen verfolgt. Einer für Alle, Alle für Einen.

Natürlich darf hier, liebe Bayern, auch noch geraucht werden. Das ist in Bremer Kneipen nicht unbedingt eine Seltenheit, dennoch wäre das Eisen ohne den blauen Dunst definitiv nicht dasselbe. Eine Zigarette lässt sich prima mit einem der vielen Drinks kombinieren und macht außerdem zusammen mit Flasche oder Glas in der Hand einen schlanken Fuß.

Die Preise sind human und schlagen weder nach oben noch nach unten aus. Flaschenbier gibt es ab 2,50 Euro. Zum Beispiel schlechtes norddeutsches Bier (Becks) oder gutes norddeutsches Bier (Jever). Auch vom Fass gibt es die in hiesigen Gefilden üblichen Sorten, und für die Exoten unter uns kommt mit Staropramen auch ein edler tschechischer Tropfen aus dem Hahn. Besonders erwähnenswert auf der Karte ist die Sparte "Sauereien": Die Schnäpse die hier gelistet werden sind Programm: "Betonmischer", "Offenes Bein", "Russenkoks" oder "Krabbeldiewandruff". Der erste Genuss des letztgenannten ist auch gleichzeitig die "Eisen"-Taufe. Ein Schnaps den man beim ersten Besuch des "Eisen" einfach trinken muss, vor allem, wenn man mit eisenkundigen Menschen dort ist.

Uncle Schaaf wants you for Eisen

(Foto: Eisen Bremen)
Eisenkundige Menschen wissen außerdem, dass es manchmal etwas dauern kann, bis man mit dem Thekenpersonal warm wird. Ein gewisses Maß an Offenheit und ein lockerer Spruch auf den Lippen sind nicht von Nachteil. Wer unsympathisch oder unfreundlich ist, der wird auch bei der Bestellung keine freundlichen Blicke oder Worte bekommen. Das kapitalistische und affektierte "Der-Kunde-Ist-König-Prinzip" gilt hier nicht. Stichwort Authentizität. Authentizität, die diese Kneipe für mich so sympathisch macht, aber leider von manchen als Arroganz fehlinterpretiert wird.

Das "Eisen" hat in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. An dieser Stelle noch mal alles Gute nachträglich und auf die nächsten 20 Jahre am besten Brett Bremens!


Henrik Claus, Bremen-Korrespondent

Siehe auch:
Der kleine Kneipentest, Folge 1: Das "Neue Wege"

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