Donnerstag, 20. September 2012

Woche des Grundeinkommens in Osnabrück

Ein Buch (Foto: CS).
Es klingt erstmal wie das Paradies auf Erden: Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) für alle Menschen. Jeder würde es bekommen, egal ob alt ob jung, und vor allem: egal ob er arbeitet oder nicht. Und es muss ausreichen - nicht nur fürs blanke Überleben sondern auch für Theaterkarten, Schwimmbadbesuche, den Kaffee in der Pause. Der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, wirbt beispielsweise immer wieder dafür. Und auch in Osnabrück gibt es eine entsprechende Initiative. Noch bis Freitag hat sie in der Stadt die Woche des bedingungslosen Grundeinkommens ausgerufen, so wie ähnliche Gruppen in vielen Ländern.

Für ihre gemeinsame Vision setzen sich Menschen an einen Tisch, die sonst nicht zusammenarbeiten. Zum Beispiel der Wallenhorster Landwirt und CDU-Mann Hans Stallkamp, und Pastor Klaus-Wilhelm Depker – Mitglied der Linkspartei. Stallkamp: „Ich fühle mich wirklich verstanden von den Linken.“ Depker: „Das hab ich schon in der Kommunalpolitik in Göttingen gemerkt, dass man sich manchmal mit Politikern der CDU über diese Werteschiene ganz hervorragend streiten kann.“

Stallkamp und Depker sind Mitglieder der Osnabrücker Initiative Grundeinkommen. In ihren Parteien gehört das BGE nicht zum Programm, ebenso wenig wie bei den meisten anderen Parteien. Die meisten Befürworter sagen trotzdem: Das Grundeinkommen ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Klaus-Wilhelm Depker sagt eher: das Grundeinkommen muss kommen ehe die Zeit abläuft: „Wenn wir das in den nächsten zehn Jahren nicht schaffen, ein Grundeinkommen einzuführen – dann wird der Kapitalismus zu solchen Verwerfungen führen, dass wir kaum noch menschliche Zustände haben werden.“

Das Hauptproblem: Die Idee lässt sich nicht gescheit durchrechnen. Denn keiner weiß, was Menschen mit einem gesicherten Lebensstandard anfangen würden: was sie arbeiten, und ob sie überhaupt arbeiten. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind unvorhersehbar. Studien (Beispiel) haben allerdings herausgefunden, dass die meisten Menschen ein Grundeinkommen keineswegs als Hängematte betrachten würden, sondern als Rückhalt, der sie freier atmen ließe. Freilich scheint klar zu sein, dass die Durchsetzung eines Grundeinkommens die Abkehr vom weitverbreiteten Fixiert-Sein auf das Wirtschaftswachstum bedeuten würde. Das sieht auch Volker Stöckel vom Vorstand der Osnabrücker Initiative so: "Man sollte darüber nachdenken, ob wir nicht zufrieden sein können, mit dem Wohlstand, den wir haben. Das wird auch in der Wirtschaftswissenschaft diskutiert, unter dem Stichwort Satisfizierung."

Stallkamp, Stöckel, Depker (von links, Foto: CS).
Landwirt Stallkamp ist sich sicher: dem ländlichen Raum in der Region würde das Grundeinkommen besonders guttun: „Ein Grundeinkommen für die Landwirtschaft würde die Landschaftsstruktur in Niedersachsen und Westfalen mit mittelbäuerlichen und kleinbäuerlichen Betrieben erhalten können. Brüssel müsste keine Zuschüsse mehr für die Landschaftspflege geben. Das würden die Betriebe dann aus eigener Intention machen.“ Er sagt auch, viele ehemalige Landwirte hätten ihre Kleinbetriebe nicht aufgegeben, wenn sie ein Grundeinkommen bezogen hätten.

Die Woche des Grundeinkommens endet am Freitagabend mit einem Vortrag zum Thema in der Osnabrücker Lagerhalle.


Von Christian Schepsmeier

2 Kommentare:

  1. Eine schöne Idee! Solch ein Vertrauen in die menschliche Motivation ist selten. Viele von uns brauchens 'extrinsisch', also äußere Anlässe, Verstärker, um uns zu motivieren, selbst wenn wir wissen, dass wir gegenügend innere Anlässe hätten. Ganz besonderes montagmorgens.
    Meine Lebenseinstellung und Glaube plädieren dafür. Aber viele ähnliche Versuche sind zerfallen, nicht nur der Kommunismus, sondern auch die skandinavischen Sozialistaaten. Sollte dieser klappen, nur weil es hier mehr teilweise Zufriedene gibt?

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  2. Ich lese immer Götz Werners Kolumne in der dm-Zeitung. Kann man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Es klingt so gut.

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